Rechenmeister
Aus den nachfolgend genannten Werken habe ich Auszüge gescannt, um klarzumachen, dass das Mittelalter nicht so weit zurück liegt, wie wir oft annehmen. Dem Rechenmeister Adam Ries widme ich ein eigenes Kapitel.
Bei den Meistern des Rechnens muss ein Name ganz oben stehen
Leonardo da Pisa, auch Fibonacci genannt. (geboren 1180 gestorben 1241?)
Der Vater von Leonardo wurde von der Pisaner Kaufmannsgilde ca 1192 in Algerien als Notar eingesetzt. Er ließ seinen Sohn Leonardo zu sich kommen und lehrte ihn das Rechnen mit den indo-arabischen Zeichen. Leonardo erwarb durch intensive Studien außergewöhnliche Erkenntnisse, die er Anfang des 12. Jahrhunderts in Liber abbaci - Buch der Rechenkunst darlegte.
Rund 20 Jahre später ist eine zweite Fassung entstanden.
Der besondere Wert seines Werkes liegt darin, dass er nicht nur Regeln und Lösungen präsentierte, sondern auch alles mathematisch beweisen konnte.
Bekannt ist er auch durch die ‘Kaninchenaufgabe’ und der nach ihm benannten Fibonacci-Zahlen: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21 etc. (Das Ergebnis ist immer die Summe der beiden vorangegangen Zahlen).
Reiseziel Biblioteca Nazionale Florenz.
Literatur: Leonardi Pisani Liber Abbaci oder Lesevergnügen eines Mathematikers von Heinz Lüneberg Auszug
In Italien wurden in der Folge erste Rechenmeisterschulen gegründet.
In Verona gab es nachweislich schon 1284 eine solche. In Florenz wurde 1316 von Rechenmeistern eine Gilde gegründet, Ziel war unter anderem das kaufmännische Rechnen zu lehren.
Seit dem 13. Jahrhundert wurde durch die Hanse ein reger Handel mit Nahrungsmitteln, Rohstoffen und Luxuswaren betrieben. Das kaufmännische Rechnen nahm dadurch an Bedeutung zu. Zuerst ließen die Kaufleute ihre Nachfahren in Italien (z.B. in Venedig) ausbilden, doch nach und nach gelang es auch in Deutschland Lehrer auszubilden. Für den Süden Deutschlands ist die Nähe zu Italien ein Vorteil. Ulm, Augsburg, Nürnberg sind bedeutend für die Entwicklung von Rechenschulen im Lande.
Die ersten Lehrer, die als Rechenmeister fungierten, hatten sich die Kenntnisse zumeist selbst erarbeitet. Erst langsam bildete sich eine Ausbildungsform heraus. Um eine Lehrstelle zu erhalten, waren mathematische Grundkenntnisse und wenn möglich Kenntnisse in der Betreuung von Schülern erforderlich. Die Ausbildung dauerte üblicherweise 6 Jahre, die bei Lehrersöhnen auf 4 Jahre gekürzt werden, konnte. Ein Leiter einer Rechenschule sollte über einen ausgewiesenen Wissensstand verfügen. Er sollte verheiratet sein und in der Lage sein, seine Schüler zu beköstigen. (Ivo Schneider: Die Ausbildung der Rechenmeister und die Kontrolle ihrer Lehrtätigkeit).
Bedeutende Handschriften
1461 durch Fredericus Amann verfasster algebraischer Text in deutscher Sprache ist im Benedektinerkloster in Regensburg niedergeschrieben worden.
Um 1450 begonnene Sammelhandschrift von Johannes Regiomontanus ‘Wiener Rechenbuch’.
Text aus Adam Riese der deutsche Rechenmeister von Kurt Vogel Deutsches Museum Abhandlungen und Berichte 27. Jahrgang 1959 Heft 3 Kapitel Beginn der neuen Zeit Seite 6
Einer der ersten Gelehrten, denen griechische Schriften in der Ursprache zugänglich waren, ist auch ein Sohn unserer fränkischen Heimat, Johannes Müller, drüben in Königsberg im benachbarten Grabfeldgau 1436 geboren, daher Regiomontanus genannt. Nach langen Studien- und Wanderjahren (Leipzig, Wien, Italien und Ungarn) hat er sich i. J. 1471 in Nürnberg niedergelassen wegen der bequemen Handelswege – so berichtet er selbst -, die den Verkehr unter den Gelehrten erleichterten, und wegen des hohen Standes des dortigen Kunsthandwerks, auf das er zur Fertigung astronomischer Instrumente angewiesen war. Regiomontan wollte die Texte aller griechischen Mathematiker und Astronomen, die er in Italien gesammelt hatte, in seiner eigenen Druckerei (die ihm ein Mäzen, der Patrizier Walter zur Verfügung gestellt hatte) ans Licht bringen. Aber diese großartigen Herausgeberpläne scheiterten, als er nur 40jährig auf einer Romreise (wohin er zur Kalenderreform berufen worden war) plötzlich verstarb.
Um 1450 erfand Johannes Gutenberg den Buchdruck. Gleichzeitig gab es auch vermehrt Papiermühlen (im deutschen Sprachraum ab 1390). Begünstigt durch die Vertreibung der Gelehrten aus Byzanz im Jahre 1453 entwickelte sich aus Italien kommend die Renaissance, Rom sollte in altem Glanz auferstehen. Jetzt fehlten nur noch die Autoren.
Rechenbuchautoren:
Ulrich Wagner, Nürnberger Professor und Rechenmeister, war der Autor des ersten gedruckten deutschen Rechenbuchs (Bamberger Rechenbuch von 1482). Ausschnitt
Johann Widmann aus Eger veröffentlich 1489 ‘behende und hubsche rechnung auff allen kauffmannschafft’ in Leibzig. Die Operationszeichen + und - werden durch ihn bekannt gemacht.
Was – ist dz ist minus
Das + das ist mer
Ratsschulbibliothek Zwickau, Aus Rechenmeister und Cossisten der frühen Neuzeit, Freiberger Forschungshefte D201 Wirtschaftswissenschaften, Anhang
Nach 1500 wächst die Zahl der Rechenbücher rasant an.
Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz Band 11
Johann Böschenstein (1472-1540) - Hebraist, Kirchenlieddichter, Mathematiker
Michael Stifel (1487-1567) - Theologe, Mathematiker, Reformator
Aus Algorismus Studien zur Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften Herausgegeben von Menso Folkerts Heft 11 Münchener Universitätsschriften : Die Stiefel-Biographie von Georg Theodor Strobel herausgegeben von Karin Reich
Jakob Köbel (1462-1533) - Stadtschreiber von Oppenheim, Buchdrucker, Verleger
Aus Rechenmeister und Cossisten der frühen Neuzeit, Freiberger Forschungshefte D201 Wirtschaftswissenschaften, Geschichte 1996 Richard Hergenhahn S66
1514 druckte Köbel sein erstes Rechebüchlein. In seinem Buch bezeichnet er die römischen Zahlen auch als teutsche Zahlen. Die Kunst des Zelens und Rechnens mit den Rechenpfennigen ist für ihn von großer Bedeutung (Rechnen auf den Linien) um den Leyen im häuslichen Gebrauch, in ämptern … und anderen gewerben eine Basis zu schaffen. In einem gesonderten Kapitel gibt es einen Vergleich der „Zeifferzal“ mit den teutschen Zale und eine Erklärung, wie die Zeiferzahl zu lesen und schreiben sey.
1520 erschien in Oppenheim ein mit kaiserlichem Privileg (Kopierschutz auf sechs Jahre) versehenes Rechebüchlein Mit der Kryde od Schreibfedern / durch die zeiferzal zu reche. Hiermit sollte dem Leser die Kunst des Zifferenrechnens vorgestellt werden.
Heinrich Schreyber(1492?-1525) bekannt auch als Grammateus Student in Wien, Student in Krakau, später in Erfurt und Wien auch Magister , 1521 wird sein erstes Rechenbuch Ayn new kunstlich Buech in Nürnberg gedruckt.
‚Erstmals werden neben den praktischen Schrittfolgen des Lösens von Aufgaben auch die Verallgemeinerungen in Form der cossischen Regeln, die die damalige Form der Algebra beschrieben, gedruckt. Es stellte eine neue höhere Qualität in den mathematischen Drucken dar.‘ Aus Rechenmeister und Cossisten der frühen Neuzeit, Freiberger Forschungshefte D201 Wirtschaftswissenschaften, Geschichte 1996 Manfred Weidauer S109
4x² - 5x = 7x +3 wird bei Grammateus 4 se – 5 pri gleych 7 pri + 3 N
https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ulbdsp/periodical/titleinfo/7578950
Johann Scheubel (1494-1570) Wegbereiter der Algebra in Europa, nicht im Sinne eines Rechenmeisters sondern als Wissenschaftler
Robert Recorde hat in seinem 1557 erschienenen Buch The whetstone of witte sehr stark auf Scheubels Algebrabuch bezuggenommen.
Petrus Apianus, Peter Apian (1495-1552) - Professor der Mathematik, Astronom, Geograph, Kartograph leitete in Ingolstadt die Universitätsdruckerei und war für etwa 60 Werke verantwortlich. Seine ‚Kaufmannsrechnung‘ ist symbolhaft auf einem Gemälde von Hans Holbein dargestellt. In seiner Zeit als Lehrperson war er fächerübergreifend für Mathematik und Physik zuständig. Zum besseren Verständnis entwickelte er viele Instrumente und Modelle, die heute im deutschen Museum in München zu bewundern sind.
Aus Rechenmeister und Cossisten der frühen Neuzeit, Freiberger Forschungshefte D201 Wirtschaftswissenschaften, Geschichte 1996 Anhang S272
Noch einige abschließende Worte. Die Kirche hatte im Mittelalter sehr großen Einfluss darauf, was gedacht und gedruckt wurde. Dem Handel, der Erzgewinnung im großen Maßstabe, Mäzenen aus Adel und bereits etablierten Persönlichkeiten, sowie der Eigeninitiative aufstrebender Gelehrter ist der riesige Entwicklungssprung zu verdanken. Man hat zu bedenken, der Wechsel von Naturaltausch zur Umstellung auf Münzwert war in vollem Gange.
Zuerst gab es keine Rechenzeichen, die Rechenregeln kamen alle noch in Textform daher. Ein Rechenbuch zu verstehen war schwierig, da man dazu Lesen können musste. Das sogenannte Rechnen auf den Linien war daher sehr viel schneller erlernbar als Textaufgaben zu verstehen. Viele Rechenmeister haben beides vermittelt. Durch die Formalisierung + - = 0 und viele andere Zeichen konnte ein Verständnis für das Rechnen mit arabischen Ziffern hergestellt werden. Gerne auch weiterlesen bei Veröffentlichungen des Forschungsinstituts des Deutschen Museums für die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik Reihe A Kleine Mitteilungen Nr. 90 1971 von Wolfgang Kaunzner, bzw. Über das Eindringen algebraischer Texte nach Deutschland ebenfalls von Dr. Kaunzner in Rechenpfennige Aufsätze zur Wissenschaftsgeschichte.
herausragende Rechenmeister aus anderen Ländern:
Italien Cardano Hieronimo:1545 erscheint in Nürnberg sein Hauptwerk Ars Magna
Nicolo Tartaglia und Scipione dal Ferro sind Wegbereiter von Lösungen von kubischen Gleichungen, Cardano war Nutznießer ihrer Arbeiten
und
England Robert Recorde
Auszug aus Schriften des Adam-Ries-Bundes Annaberg-Buchholz Band 14
Verfasser und Herausgeber mathematischer Texte der frühen Neuzeit
Vortrag Robert Recorde und sein Rechenbuch, London 1542 von Jens Ulff-Moller